Stellen Sie sich weiter vor, Ihrem Angehörigen geht es zunehmend schlechter, nach ca. einer Woche stationären Aufenthalts wird er auf die Intensivstation verlegt, es steht ein akutes Leberversagen bevor. Aufgrund der "positiven Alkohol-anamnese" wird von den behandelnden Ärzten keine Indikation zur Übernahme in das nächstgelegene Transplantationszentrum gestellt, um Ihren Verwandten schnellstmöglich auf eine Warteliste für eine Lebertransplantation setzen zu lassen und so sein Leben zu retten. Stattdessen wird Ihrem Verwandten krankhafter Alkoholkonsum unterstellt und eine rechtzeitige Aufnahme in eine Warteliste zur Transplantation verweigert. Zum diesem Zeitpunkt ist den Ärzten nicht bekannt, dass die Leber Ihres Angehörigen an einer Autoimmunschwäche leidet, die mit Alkoholkonsum rein gar nichts zu tun hat.
Können sich Betroffene gegen derartige Fehlentscheidungen schützen?
Grundsätzlich herrscht in Deutschland, wie auch in anderen europäischen Staaten Organmangel, das heißt, die Zahl der Organspender liegt deutlich unterhalb derjenigen die ein neues Organ benötigen. Seit über 10 Jahren existiert in Deutschland das Transplantationsgesetz (TPG). Es regelt die Spende, Entnahme, sowie Übertragung menschlicher Organe, Organteile und Gewebe, sowohl beim toten, als auch beim lebenden Spender.
Um in Deutschland ein Organ erhalten zu können, muss der Betroffene zunächst in eine Warteliste zur Organtransplantation aufgenommen werden.
Ist also die Transplantation eines Organs medizinisch indiziert, wird der Patient von den behandelnden Ärzten an ein Transplantationszentrum gemeldet. Grundsätzlich entscheidet das zuständige Transplantationszentrum, neben der Aufnahme eines Patienten in die entsprechende Warteliste, auch über die Herausnahme eines Patienten aus der Warteliste, sowie die Einstufung der Dringlichkeit einer Organtransplantation.
Bezüglich der Aufnahme in eine Warteliste hat das zuständige Transplantationszentrum sodann, nach Notwendigkeit und Erfolgsaussichten der Transplantation, über die Aufnahme des Patienten in eine Warteliste nach den Regeln zu entscheiden, die dem Stand der medizinischen Erkenntnis entsprechen,dies im Sinne des § 10 Ab. 2 Nr. 2 TPG.
Welche Kriterien maßgeblich sind, regeln wiederum die von der Bundesärztekammer erlassenen Richtlinien zur Aufnahme in die jeweilige Warteliste.
Diese Richtlinientätigkeit der Bundesärztekammer steht seit vielen Jahren in der Kritik vieler Rechtskundiger. Der Bundesärztekammer wird eine Kompetenzüberschreitung vorgeworfen, zum anderen übe sie mit ihrer Richtlinientätigkeit öffentliche Gewalt aus, ohne hierfür tatsächlich legitimiert zu sein (so Prof. Wolfram Höfling, Verteilungsgerechtigkeit in der Transplantationsmedizin?, JZ 2007, S. 481 ff.). So wurde beispielsweise im Jahre 2006, wie die Süddeutsche Zeitung titelte, eine “Niere auf dem kleinen Dienstweg“ unter Umgehung der Warteliste einem Patienten zugeteilt.
In den von der Bundesärztekammer herausgegebenen Richtlinien sind für jedes transplantierfähige Organ, Gründe für die Aufnahme bzw. Ablehnung in die Warteliste formuliert.
So heißt es beispielsweise in den Richtlinien zur Lebertransplantation, dass bei Patienten mit alkoholinduzierter Zirrhose die Aufnahme in die Warteliste erst nach einer sechs monatigen Alkoholabstinenz erfolgen kann.
Darüberhinaus sind Patienten mit einer HIV-Infektion gänzlich von der Möglichkeit ausgeschlossen, ein Organ zu erhalten. Auch selbstschädigendes Verhalten des Patienten, wie anhaltender Nikotin,- Alkohol,- und Drogenabusus können gegen die Aufnahme in die Warteliste sprechen.
Welche konkreten Rechtsschutzmöglichkeiten stehen nun betroffenen Patienten zur Verfügung, die entweder nicht in die Warteliste aufgenommen wurden, aus der Warteliste herausgenommen oder in der Dringlichkeitseinstufung herabgesetzt wurden?
Sofern es um eine Entscheidung, wie der Herausnahme eines Patienten aus der Warteliste geht, besteht für den Betroffenen, je nach Gestaltung des Einzelfalls, die Möglichkeit, sowohl zivilrechtliche, als auch verwaltungsrechtliche Schritte, gegen diese Entscheidung, einzuleiten.
Im Jahre 2007 hatte beispielsweise eine Transplantationspatientin, die aufgrund ihrer israelischen Staatsbürgerschaft von der Warteliste des Transplantationszentrums herunter genommen wurde, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Landgericht Essen (LG Essen, 21.11.2007, Az. 1 O 312/07) erwirkt, erneut in die Warteliste aufgenommen zu werden. Das Landgericht hatte in seiner Entscheidung festgestellt, dass es sich bei einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz bezüglich der Wiederaufnahme auf die Warteliste einer Organvermittlung durch das behandelnde Krankenhaus um einen bürgerlichen Rechtsstreit handelt, da ein Anspruch aus einem vorher geschlossenen Behandlungsvertrag mit dem Krankenhausträger geltend gemacht werde.
Darüberhinaus können Patienten, die in der Dringlichkeitseinstufung herabgesetzt, oder gänzlich aus der Warteliste herausgenommen wurden, im Wege eines Eilverfahrens vor dem zuständigen Verwaltungsgericht, einstweiligen Rechtsschutz erlangen. Zivilrechtliche Schritte sind gegen notwendige verwaltungsrechtliche Schritte abzugrenzen.
Des Weiteren haben Betroffene die Möglichkeit, Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend zu machen.
Betroffene Patienten, denen eine Aufnahme in eine Warteliste versagt wurde, die aus einer Warteliste herausgenommen wurden oder deren Dringlichkeitseinstufung herabgesetzt wurde, sollten daher anwaltlich prüfen lassen, welche rechtlichen Möglichkeiten ihnen im Einzelfall zur Verfügung stehen.
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