Unterhalt für minderjährige Kinder: Wenn Mama eine Ausbildung macht, muss sie nicht mehr zahlen

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04.05.2011: Oberlandesgericht Braunschweig - PM vom 14.09.2011
Aktenzeichen: XII ZR 70/09

Bundesgerichtshof bestätigt Urteil des Oberlandesgerichts Braunschweig: Die Erstausbildung gehört zum eigenen Lebensbedarf des unterhaltspflichtigen Elternteils und geht im Regelfall der Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern vor. Unterhaltspflichtige Väter und Mütter dürfen ihre Erwerbstätigkeit jedoch nur für die Erstausbildung unterbrechen, nicht für eine Zweitausbildung oder eine Weiterbildung im erlernten Beruf. Andernfalls drohen unterhaltsrechtliche Konsequenzen.


Mitunter kommt es vor, dass junge Erwachsene oder sogar minderjährige Kinder selbst Eltern werden. Vor allem, wenn junge Eltern selbst noch zur Schule gehen, sich in einer Berufsausbildung befinden oder eine solche aufnehmen wollen, stellt sich die Frage, inwieweit sie gegenüber ihren Kindern zum Unterhalt verpflichtet sind.

Sollte man es jungen Eltern zumuten, eine schlecht bezahlte Erwerbstätigkeit auszuüben, damit sie den Kindesunterhalt aufbringen können? Oder ist es nicht doch wichtiger, dass die jungen Eltern zuerst ihre eigene Berufsausbildung absolvieren, um den Unterhalt langfristig zu sichern?

Der Bundesgerichtshof hatte sich unter anderem wieder mit diesen Fragen zu befassen und bestätigte in seinem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 04.05.2011 eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Braunschweig. Daneben hatte er sich mit Fragen zur Höhe des Selbstbehalts eines barunterhaltspflichtigen Elternteils zu befassen.

In dem zugrundeliegenden Fall war die heute 30-jährige Klägerin bei der Geburt ihrer zwei Kinder 16 bzw. 18 Jahre alt und damals selbst noch Schülerin. Ihren Hauptschulabschluss holte sie später nach und arbeitete anschließend als ungelernte Kraft in wechselnden Anstellungen teils im Geringverdienerbereich. Zwischenzeitlich war sie auch kurzfristig arbeitslos. Die Kinder lebten nach der Trennung der Eltern im Jahr 2002 noch kurze Zeit bei der Mutter. Seit 2004 werden sie vom Vater betreut und die Mutter ist verpflichtet Barunterhalt zu zahlen.

Die Mutter konnte in der Zeit, in der sie arbeitete, aufgrund ihres geringen Einkommens nur geringe monatliche Unterhaltsleistungen (weniger als der Mindestbedarf (= 1. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle)) für ihre beiden Kinder aufbringen. Ende Januar 2009 nahm sie eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau auf. Da ihr wegen der Ausbildung erheblich weniger Geld zur Verfügung stand als vorher, klagte sie auf Aufhebung ihrer Unterhaltspflicht.

Nachdem sie zunächst vor dem Amtsgericht Wolfsburg unterlegen war, gaben ihr das Oberlandesgericht Braunschweig und nun der Bundesgerichtshof in dritter und letzter Instanz Recht.

Der Bundesgerichtshof stellte in seinem Urteil zunächst in Anwendung des § 1603 BGB fest, dass auch Eltern, die finanziell nicht in der Lage sind, für den Unterhalt ihrer Kinder aufzukommen, verpflichtet seien, alle verfügbaren Mittel gleichmäßig für ihren eigenen Unterhalt und den ihrer minderjährigen Kinder zu verwenden (sog. „gesteigerte Unterhaltspflicht").

Ein gesteigert unterhaltspflichtiger Elternteil müsse alle ihm möglichen und zumutbaren Erwerbstätigkeiten nutzen. Verfüge er bereits über eine Berufsausbildung, die ihm eine ausreichende Lebensgrundlage biete, dürfe er eine bestehende Arbeit nicht einfach aufgeben, um eine Aus- oder Weiterbildung aufzunehmen. Der Unterhalt der Kinder gehe grundsätzlich vor. Verletzte ein Unterhaltspflichtiger diese Pflicht leichtfertig, könne ein fiktives Einkommen bei der Unterhaltsberechnung herangezogen werden.

Anders könne dies hingegen zu beurteilen sein, wenn der Unterhaltspflichtige seine Erwerbstätigkeit nicht zum Zwecke einer Zweitausbildung oder der Weiterbildung in dem erlernten Beruf, sondern zugunsten einer erstmaligen Berufsausbildung aufgegeben habe. Einer solchen Erstausbildung sei regelmäßig auch gegenüber der gesteigerten Unterhaltspflicht der Vorrang einzuräumen. Berücksichtigt werden müssen allerdings alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Tatsache, warum der Unterhaltspflichtige gerade jetzt seine Erstausbildung durchführe und wie sich dies langfristig auf seine Leistungsfähigkeit für den Kindesunterhalt auswirke.

Im konkreten Fall bestärkte der Bundesgerichtshof das Oberlandesgericht Braunschweig in seiner Rechtsauffassung. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Braunschweiger Richter die Unterhaltspflicht der klagenden Mutter für den Zeitraum der Ausbildung aufgehoben habe. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die klagende Mutter ihre Kinder bereits mit 16 und 18 Jahren geboren hat und ihren Hauptschulabschluss erst nach der ersten Geburt erwerben konnte, hätten die Richter des Oberlandesgerichts der Erstausbildung zu Recht Vorrang eingeräumt. Ohne Berufsausbildung wäre sie nach ihrer bisherigen Erwerbsbiografie nur sehr eingeschränkt leistungsfähig geblieben. Die erstmalige Berufsausbildung zur Einzelhandelskauffrau werde die Erwerbsaussichten der klagenden Mutter deutlich verbessern und den Kindern letztlich eine sicherere Grundlage für ihren Unterhalt schaffen. Daran ändere im Übrigen auch der Umstand nichts, dass sie ihre Berufsausbildung erst jetzt im Alter von 30 Jahren begonnen habe. Denn in der Zeit seit Beginn der Betreuung durch den Vater habe sie sich über mehrere Jahre erfolglos um eine höhere vergütete Erwerbstätigkeit bemüht.

In Bezug auf den dem Unterhaltsverpflichteten für den eigenen Lebensbedarf zu belassenden Selbstbehalt hat der Bundesgerichtshof ebenfalls die Auffassung des Oberlandesgerichts bestätigt. Zwar seien Eltern ihren minderjährigen Kindern gegenüber gesteigert unterhaltspflichtig (s. o.), was es rechtfertigt, ihnen insoweit nur den notwendigen Selbstbehalt zu belassen (nach der derzeit gültigen Düsseldorfer Tabelle monatlich 770,00 € für den nicht Erwerbstätigen und 950,00 € für den Erwerbstätigen). Diese gesteigerte Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern entfalle nach § 1603 Abs. 2 BGB jedoch dann, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist. Das könne auch der die Kinder betreuende Vater sein, der eigentlich, weil er die Kinder betreut, nicht bar- unterhaltspflichtig ist. Wenn der Vater aber so viel verdient, dass er ohne Beeinträchtigung seines eigenen angemessenen Selbstbehalts (nach der derzeit gültigen Düsseldorfer Tabelle monatlich 1150,00 €) in der Lage ist, neben der Betreuung der Kinder auch deren Barunterhalt zu leisten, dann entfalle die gesteigerte Unterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteils und dessen Beschränkung auf den notwendigen Selbstbehalt. Da diese Fallkonstellation vorlag, war der Mutter ebenfalls der angemessene Selbstbehalt zuzubilligen. Das hatte zur Folge, dass sie als ungelernte Kraft erst recht nicht mehr in der Lage gewesen wäre, genug zu verdienen, um Kindesunterhalt zu zahlen.

Weitere Informationen zum Thema Ehe- und Familienrecht Nürtingen erhalten Sie auch unter https://leibold-schmid.de/familienrecht-nuertingen-kirchheim-teck/

Link: https://www.oberlandesgericht-braunschweig.niedersachsen.de/

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