Arbeitsplatz verloren – und jetzt ?

Nur scheinbare Sicherheit für Dieselfahrer im Dieselskandal
22. November 2018

Bis zum 30.09.2020 waren Unternehmen weitgehend davon dispensiert, einen Insolvenzantrag zu stellen. Dies hat sich geändert. Seit dem 30.09.2020 hat die seit jeher bestehende Verpflichtung, Insolvenzantrag bei Zahlungsunfähigkeit zu stellen, wieder eingesetzt. Ein weiterer Aufschub ist nur bei dem Insolvenzgrund der Überschuldung möglich, dies bis zum 31.12.2020. Die 7,3 Mio. Beschäftigten, die sich in Kurzarbeit befinden (Stand Juni 2020) müssen konkret befürchten, dass sie mit dem Ende vieler Unternehmen auch mit der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses rechnen müssen. In den meisten Fällen wird es dann um betriebsbedingte Kündigungen gehen. Aber auch im Vorfeld einer Insolvenz wird Personal abgebaut und dann kommt es darauf an, ob eine Abfindung noch herausverhandelt werden kann oder nicht.

Insoweit ist ein entscheidendes Kriterium die Betriebsgröße. In Unternehmen bis zu 10 Vollzeitarbeitskräften (Teilzeitkräfte werden anteilig mitgerechnet) gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht. Das Kündigungsschutzgesetz gilt auch nicht, wenn das Arbeitsverhältnis noch nicht 6 Monate besteht. Einen Anspruch auf Abfindung kann auch nicht mehr geltend gemacht werden, wenn die Frist für die Anrufung des Arbeitsgerichtes gem. § 4 KSchG nicht eingehalten wird (3 Wochen). Die Kündigung wird dann bestandskräftig, obwohl sie möglicherweise sozial ungerechtfertigt ist. Um diesbezüglichen Unsicherheiten vorzubeugen, die bei einer arbeitsgerichtlichen Klärung der betriebsbedingten Kündigung entstehen könnten, werden im Segment der Beschäftigung von bis zu 20 Mitarbeitern und den Betrieben ohne Betriebsrat oftmals Abfindungen angeboten.

Als Gegenleistung soll dann der Arbeitnehmer freiwillig auf seinen Arbeitsplatz verzichten. Die Abfindungszahlungen sind dann meistens recht großzügig bemessen, die einschlägigen Beträge verstehen sich aber brutto. Dies bedeutet, sie sind steuerpflichtig. Großzügige Abfindungen verleiten aber dazu, dass die Bundesagentur ggf. annimmt, dass der Arbeitsplatz im Ergebnis doch freiwillig aufgegeben wird, sodass eine Sperrzeit beim Bezug des Arbeitslosengelds droht. In der Zeit der jetzigen Gesundheitskrise bietet es sich an, eine Kündigung gerichtlich überprüfen zu lassen. Dies hat in der jetzigen Situation oft höhere Erfolgsaussichten als früher. Der Grund hierfür liegt darin, dass besondere Grundsätze gelten, wenn der Arbeitsplatz während der laufenden Kurzarbeit wegfällt. Zwar bleibt in diesem Fall eine betriebsbedingte Kündigung möglich, wenn sich die Auftragslage seit Beginn der Kurzarbeit nochmals massiv verschlechtert hat, bzw. keine Verbesserung zu erwarten ist.

Um diese rechtliche Hürde zu meistern, muss der Arbeitgeber im Prozess einen entsprechenden Sachvortrag halten, der oft nicht gelingt. Dies könnte eine Chance sein, den Arbeitsplatz doch noch zu erhalten. Eine weitere Variante, die größere Betriebe vorziehen, ist die Erstellung eines Interessenausgleichs und eines Sozialplans. Dies ist möglich, wenn mehr als 20 Mitarbeiter beschäftigt sind und es einen Betriebsrat gibt. Hier sind die Rechte der Betroffenen schwieriger einzuschätzen, weil die dringenden betrieblichen Bedürfnisse, die eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen könnten, vermutet werden. Die Rechtfertigung für diese Vermutung findet sich darin, dass der Betriebsrat bei den entsprechenden Regelungen mitmachen muss, sodass eine kritische Würdigung der diesbezüglichen Gründe für den Beschäftigungswegfall nach Wertung des Gesetzgebers gesichert ist.

Die Schwäche dieses Modells liegt aber darin, dass der Betriebsrat in solchen Fällen sich auch in einer Interessenkollision befindet. Gelingt nämlich der Abschluss eines Interessenausgleich nebst Sozialplan, mit dem viele Arbeitnehmer*innen über eine Namensliste erfasst und massenhaft entlassen werden, dürfte der Fortbestand des Unternehmens und der Fortbestand der Arbeitsplätze der Betriebsräte gesichert sein, sofern der Betrieb in der Folge nicht doch insolvent wird. Oftmals kombiniert werden diese Lösungen mit der Gründung einer Beschäftigungsgesellschaft, die dann zusätzliche Abfindungsangebote hervorbringt. In diese Beschäftigungsgesellschaften treten dann die betroffenen Arbeitnehmer* innen ein, obwohl ihre berufliche Zukunft dort eher verwaltet als real gefördert wird. Insbesondere qualifizierte Arbeitskräfte müssen sich hierauf nicht einlassen, zumal die derzeitige Krise auch zeigt, dass viele Arbeitsplätze jetzt durchaus auch neu besetzt werden. Jedenfalls ist hier der Beratungsbedarf bezüglich neu abzuschließender Arbeitsverträge ganz erheblich angestiegen.

Beschäftigte, die somit spüren, dass sich die Lage bei Ihrem Arbeitgeber nicht zum Besseren verändert, sollten daher nicht einfach warten und hoffen, dass der Arbeitgeber sich noch einmal „berappelt“, sondern sollten sich frühzeitig um berufliche Alternativen kümmern. Dass auch dies gerade in erheblichen Umfange passiert, sieht man daran, dass viele Arbeitnehmer*innen bei uns wegen ihren Kündigungsfristen nachfragen, die oftmals an die Arbeitgeberfristen gekoppelt sind und einen schnellen Wechsel möglicherweise gar nicht ermöglichen. Aber auch insoweit kann unter bestimmten Umständen geholfen werden, denn auch für den Arbeitgeber gilt, dass es wenig sinnvoll ist „Reisende aufzuhalten“.

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